Italienische Gastronomie in Deutschland: Restaurant Acetaia

Michele Perego ci mostra l'aceto Balsamico tradizionale di Modena
Michele Perego zeigt uns “l’aceto Balsamico tradizionale di Modena”

bottone italianoMünchen: Das Restaurant “Acetaia” wurde in die Liste der fünfzig besten italienischen Restaurants Deutschlands der kulinarischen Fachzeitschrift “Feinschmecker” aufgenommen. Was bedeutet es, in dieser renommierten Zeitschrift zu erscheinen?
Michele Perego (M.P.): Es hat eine große Bedeutung, selbst wenn es sicher versteckt in kleinen Ortschaften noch andere gute Restaurants gibt. In einer großen Stadt ist es einfacher, sich hervorzuheben.

Ist eine solche Auszeichnung auch unmittelbar von Vorteil?
M
P: Nicht sofort. Die Monatsfachzeitschriften haben nicht die schnelle Wirkung, die eine lokale Zeitung haben könnte. Wenn wir die gleiche Rezension in der Süddeutsche Zeitung hätten, wären wir die nächsten sechs Monaten ausgebucht.

Seit wann gibt es dieses Restaurant und wieso haben Sie es “Acetaia” genannt?
MP: Wir haben am 15. Dezember 1999 eröffnet. Wir sind zu zweit, ich, mit dem geringeren Anteil, und mein deutscher Geschäftspartner Andreas Schlapa. Wir haben vor etwa 15 Jahren diese Räumlichkeiten gefunden. Kurz darauf, als wir einen Namen wählen sollten, haben wir  einen Freund in Modena besucht, der “Acetaia Pedroni” führt – einen Betrieb zur Herstellung von Aceto Balsamico. So haben wir die Idee bekommen, unser Lokal “Acetaia” zu nennen, weil die Räumlichkeiten an den Stil von Norditalien erinnern und es sich außerdem um ein historisches Anwesen handelt, das für ein weltweit berühmtes Produkt wie den Aceto Balsamico gut geeignet ist. Tatsächlich hat uns der Name  vom Anfang an damit geholfen, die Aufmerksamkeit der lokalen Presse auf uns zu ziehen. In unserem Menu waren auch damals viele Speisen mit Balsamico, heute sind es immernoch zwei oder drei.

Wen verköstigt ihr hauptsächlich?
MP: Wenn man ein Lokal eröffnet, ist es wichtig den Stil und die Eigenart des umliegenden Viertels zu berücksichtigen. Hier sind wir in Nymphenburg, einem Viertel mit schönen Altbauhäusern; die Kundschaft ist anspruchsvoll. Wir hätten keine Hotdogs verkaufen können. Um auch Kundschaft aus anderen Teilen der Stadt zu uns zu locken, müssen wir etwas besonderes, also eine erlesene Küche anbieten.

Ristorante Acetaia
Ristorante Acetaia

Ist der deutsche Gast sehr anspruchsvoll?
MP: Ja, er ist anspruchsvoll, vielleicht mehr als der Italiener, aber er lässt sich gerne beraten.

Führt eine deutsch-italienische Zusammenarbeit in der Küche zum Erfolg?
MP: Ja, zwischen meinem Geschäftspartner und mir gibt es eine gute Synergie. Für alles Amtliche ist die Hilfe eines Deutschen sehr wertvoll. Der Italiener bringt die Kreativität und die Fantasie mit. Ein Deutscher ohne einen Italiener kann nicht wirklich ein echtes italienisches Restaurant in Deutschland führen. Ein Italiener ohne einen Deutschen kann nicht diesselbe Kompetenz im fremden Land haben.

Die traditionelle italienische Küche ist in Deutschland nicht mehr in italienischen Händen: oft sind es Leute aus anderen Nationen, die Lasagne und Spaghetti Bolognese anbieten. Welche Philosophie habt Ihr in Eurem Lokal?
MP: Wir stellen nicht den typischen Italiener dar, wir bieten die klassischen Gerichten nicht an, weil wir stattdessen kreativ und interessant sein möchten. Wir machen auch mal gerne Spaghetti Bolognese, aber dann ganz anders. Zum Beispiel: Spaghetti mit Hartweizen aus Gragnano, das Fleisch selbst mit dem Küchenmesser gehackt und eine Wacholdercreme. Wir wollen kreativ und dynamisch sein. Wir ändern häufig unsere Speisekarte und wir haben diese   Philosophie schon seit dreißig Jahren. Sicher könnten wir eine Lasagne zubereiten und  unsere Gäste würden glücklich darüber sein, etwas Bekanntes zu essen. Etwas, das Sie an Ihren Urlaub in Italien erinnert. Aber dann wären wir ganz genau so wie alle anderen Restaurants. Wir streben nach Originalität.

Waren Sie schon immer in der Gastronomie tätig?
MP: Ja, ich habe die Hotelfachschule besucht. Danach bin ich durch die Welt verreist. Bei uns  hat Jeder unserer zehn Angestellten die Hotelfachschule besucht. Dies ist der Beruf, den wir ausgewählt und gelernt haben. Es ist nicht eine Notlösung, weil wir sonst arbeitslos gewesen wären.

Am Anfang waren – außer vereinzelten geschulten Fachkräften wie Sie- die italienischen Restaurants größtenteils improvisiert: Es waren z.B. Maurer, die ein Lokal öffneten und deren Mutter oder Großmutter in der Küche stand und die traditionellen  Gerichten von früher kochte. Inwiefern hat dies die Idee der italienischen Küche in Deutschland geprägt? Hat diese Art von Küche überhaupt heute noch einen Sinn?
MP: Die italienische Küche wird in der ganzen Welt weiter Zukunft haben, weil es eine Küche ist, die vermag, die verschiedensten Ansprüche der Menschen zu vereinbaren. Wie haben eine Auswahl an Produkten und Verarbeitungsweisen die auf der Welt einzigartig ist. Man kann nicht sagen, dass es die beste Küche auf der Welt sei, wie es auch nicht “das beste Auto” oder “die beste Frau” gibt. Es geht viel mehr darum, was und wie man essen möchte. Die italienische Küche hat den Vorteil, dass sie unsterblich und dabei so vielseitig ist, dass sie alle Geschmäcker erobern kann. Sie wird nie langweilig.

Vetrina con i vini
Weine

Wie kamen Sie nach Deutschland ?
MP: Das erste Mal – im Jahr ’89 – bin ich nach Deutschland gekommen, um Deutsch zu lernen. Später habe ich mich hier niedergelassen. Ein Vorteil dieses Berufs ist es, dass man viel in der Welt herum kommt. Man kann Erfahrung sammeln und Fremdsprachen lernen. Wenn man die entsprechende Sprache beherrscht, kann man den Gästen aus fremden Kulturen ganz anders begegnen. Ich bin schon in Spanien, Frankreich, England und den USA gewesen. 2001 sollte ich gerade nach New York fahren, um dort zu arbeiten, als die Zwillingstürme stürzten. Danach blieb meine Stelle aus. Da rief mich ein deutscher Freund, der hier Chefkoch war, an. Ich bin zu ihm gekommen und bin hier geblieben. München ist eine sehr schöne Stadt. Außerdem stamme ich aus Mailand das nur 500 km von hier entfernt ist, deswegen bin ich nicht so weit weg von Zuhause.

Was würden Sie einem jungen Menschen empfehlen, der hierher kommen möchte, um in der Gastronomie zu arbeiten?
MP: Es hängt davon ab, was er mit seinem Leben machen möchte. Ich verstehe schon, dass man mit zwanzig Jahren noch nicht alles genau weiß, aber man braucht auf jeden Fall Stolz, Leidenschaft, Überzeugung und Durchhaltevermögen. Für den, der diese Eigenschaften mitbringt, ist München eine schöne Stadt, die sehr viel anbietet. München ist viel offener als eine italienische Stadt, weil die Deutschen neugierig sind. Sie nehmen jeden gut auf, der innovative Ideen mitbringt.

Würden Sie jemanden anstellen, der noch nie in der Gastronomie gearbeitet hat?
MP: Nein, ich würde nur Personal anstellen, das bereits die Hotelfachschule besucht hat. Ich ich bin der Meinung, dass der, der im Gastättengewerbe arbeitet, ohne es als Beruf erlernt zu haben, wird immer ein sehr hartes Leben haben. Auch deutsche Köche sind sehr entschlossen und stehen den Italienern in nichts nach. Es könnte Ihnen vielleicht bei der Pasta am Spitzengefühl fehlen, aber sie sind dazu bereit zu verreisen. Wenn sie ein Jahr in einem guten Restaurant in Italien arbeiten, können sie bestimmt so talentiert werden wie wir.

Sind in Deutschland Italiener bei gleicher Qualifikation im Vorteil?
MP: Auf jeden Fall, davon bin ich bin überzeugt. Alle deutsche Kollegen sagen, dass gerade die offensichtliche Hingabe und der Charme der Italiener den Unterschied ausmachen. Außerdem liebt es der deutsche Gast, wenn der italienische Koch im Saal serviert.

(Übersetzt von Sandra Canals)